Florian Kaufmann

Freier Journalist

Und morgen die ganze Stadt?

Immer mehr Immobilien in Karlsruhe liegen in Händen eines Konzerns, der bereits bundesweit mit großen Bauprojekten für Aufsehen sorgte. Bei der Expansion setzt die Gruppe um Christoph Gröner auf das Sponsoring im Fußball.

„Steine statt Beine“, fasste der ehemalige Manager des FC Bayern München, Uli Hoeneß, seine Strategie für den deutschen Rekordmeister zusammen, die auf langfristige Investitionen in die Infrastruktur statt auf teure Spielertransfers setzte. Beim Zweitligisten Karlsruher Sport-Club, der in erfolgreicheren Jahren als Ausbildungsverein und „Filiale des FC Bayern“ galt, sollen die Steine des bis zum kommenden Sommer fertiggestellten Stadions den Weg zurück in die Oberklasse des Fußballgeschäfts weisen. „Das Stadion kann unser Erfolgsmodell werden“, sagt der Vizepräsident des KSC Martin Müller. Wie seine beiden Kollegen im KSC-Vereinspräsidium kennt er sich aus im Geschäft mit Immobilien. Der Vereinspräsident Holger Sigmund-Schultze beriet als Architekt einst den Verein beim Stadionneubau und der andere Vize, Günter Pilarsky, legt Teile seines Milliardenvermögens in Immobilien an. Müller selbst entwickelt mit seinem Unternehmen als Teil der Gröner Group in Karlsruhe und bundesweit Immobilien, die in der Regel mit großem Gewinn weiterverkauft werden.

Aufstieg des Konzerns in Karlsruhe

Der Namensgeber und Gründer dieser Immobiliengruppe, Christoph Gröner, ist in Karlsruhe aufgewachsen und baute seinen Immobilienkonzern vor allem mit Bauprojekten in Berlin und Leipzig auf. Heute treibt er in einem verschachtelten Firmenkonstrukt unter anderem unter dem Namen CG Elementum bundesweit Bauprojekte im Wert von fast fünf Milliarden Euro voran. Seit einigen Jahren wird Karlsruhe zu einem immer wichtigeren Immobilienmarkt des Konzerns. Das Volumen der acht Bauprojekte an verschiedenen Orten der Stadt schätzt das Unternehmen auf 1,2 Milliarden Euro. „Als gebürtiger Karlsruher, Gründer und Namensgeber der CG Elementum AG bin ich jemand, der nicht nur sehr gerne Projekte in seiner Heimatstadt entwickelt, sondern der sich auch heute noch sehr gerne in Karlsruhe aufhält“, ließ Gröner gegenüber Kontext ausrichten.

Der Aufstieg des Immobilienkonzerns in Karlsruhe ist wesentlich auf eine Entscheidung der Stadt zurückzuführen. 2014 verkaufte der Bund ein 27 Hektar großes ehemaliges Militärgelände in der Karlsruher Nordstadt. Allerdings nicht an die Stadt. Die hat nur ein kleineres Nachbargelände bekommen, wo sie bezahlbare Wohnungen errichten will. Der größte Teil des Areals ging an einen privaten Investor: die GEM Ingenieurgesellschaft, die damals noch Martin Müller alleine gehörte. Für geschätzte 24 Millionen Euro kaufte sie 27 Hektar. Bis 2027 sollen auf dem Gelände 1.000 Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen, die anschließend verkauft werden sollen. Das Projektvolumen: stolze 700 Millionen Euro.

Doch offenbar hatte sich Müller mit seiner GEM verhoben. Sein Plan, parallel ein anderes ehemaliges Kasernengelände in Karlsruhe zu dem „hochwertigen Wohnquartier“ Hofgarten Karree auszubauen, kam ins Stocken. Jedenfalls stieg 2018 Christoph Gröner als Mehrheitsgesellschafter in die GEM ein. Heute versucht die GEM die Wohnungen im Hofgarten Karree für mehr als 6.000 Euro pro Quadratmeter zu verkaufen. Spätestens seitdem sind Gröner und Müller eng verbunden.

Gröner stellt Bedingungen für mehr Geld

Bereits in Berlin und Leipzig setzte Gröner beim Ausbau seines Immobiliengeschäfts auf das Sponsoring von Hertha BSC und RB Leipzig. Jetzt will er auch noch stärker beim KSC einsteigen. Ein Fußballverein könne keine allein kommunale Angelegenheit sein, die Wirtschaft sei gefordert, sagte Gröner den „Badischen Neuesten Nachrichten“ (BNN). Er könne einen „signifikanten Beitrag“ für den sportlichen Erfolg leisten, bringt er sich als möglicher Investor in die als Aktiengesellschaft ausgegliederte Profiabteilung des Vereins ins Spiel. Schon jetzt ist die Gröner Group mit der CG Elementum und Müllers Firma GEM Haupt- und Trikotsponsor des KSC. Doch Gröner stellt Bedingungen für die im Profifußball immer gern gesehenen neuen Millionen. Er will mehr eigenen Einblick und Kontrolle im Verein. „Wir brauchen einfach Transparenz“, er forderte „Vertrauenspersonen“ im Verein, bevor neues Geld fließen sollte.

Eine solche Vertrauensperson sollte offenbar Ulrich Metz werden. Der Karlsruher IT-Unternehmer ist der Familie Gröner seit 30 Jahren freundschaftlich verbunden und sitzt in zwei Aufsichtsräten der Gröner Group. Mitte Oktober wollte Metz von der KSC-Mitgliederversammlung in den Beirat, also die Schaltzentrale des Vereins, entsandt werden. Doch die Mitglieder ließen ihn mit nur 19 Prozent der Stimmen durchfallen.

Im Vorfeld hatte sich Gröner deutlich für Metz ausgesprochen. „Selbstverständlich freuen wir uns, wenn der KSC sich mit kompetenten Persönlichkeiten umgibt und natürlich freue ich mich ganz persönlich, wenn ich zukünftig von entsprechender Stelle unterrichtet werden könnte“, sagte Gröner gegenüber Kontext. Metz sei ein großer Sportexperte, während er selbst nur wenig von Fußball verstehe.

Immobilienkonzern und Verein sind eng verbandelt

Doch auch wenn Metz nun nicht im Beirat des KSC sitzt – Gröner hat auch so genügend „Vertrauenspersonen“ im Verein. Mit Müller sitzt bereits der Hauptverantwortliche für die Gröner-Group-Aktivitäten in Karlsruhe im Vereinspräsidium und im den Profibereich bestimmenden Beirat. Müller kämpfte lange um einen Platz im KSC-Präsidium. Schon 2019 kandidierte er um das Amt als KSC-Präsident, fiel bei der Wahl aber durch. Im Folgejahr initiierte Müller ein Bündnis mehrerer Unternehmen, um den in der Wahl zuvor siegreichen Präsidenten mit dem notwendigen Geld zur Abwendung einer Insolvenz und einem Ultimatum zum Rücktritt zu drängen. Fünf der angebotenen sechs Millionen für den Verein steuerte Müller innerhalb des Bündnisses selbst bei.

Der Plan ging auf. Neben Müller ist – schon seit 2010 – auch der Unternehmer Günter Pilarsky (Firma Cronimet) Vizepräsident des Vereins. Schon nach wenigen gemeinsamen Monaten im Präsidium gründeten die beiden eine gemeinsame Firma: In der GEM Projekte + G. Pilarsky GmbH & Co. KG wollen sich die zwei gemeinsam um die Entwicklung von Immobilien kümmern. Anfang dieses Jahres übernahm Müllers GEM die Mehrheit der Firma. „Aus steuerlichen Gründen“, sagt Pilarsky. In den gemeinsamen Geschäften der gewählten Vereinsrepräsentanten sieht Müller kein Problem, „wenn man zusammen Geschäfte ohne Nachteile für den KSC macht“. Die Vermutung, durch ihn könnten interne KSC-Informationen zu Christoph Gröner gelangen, weist Müller von sich. Sein Chef könne von ihm keine vertraulichen Informationen aus dem Verein erwarten. „Er wollte nie was Internes wissen und ich würde es ihm auch nicht sagen.“

Doch was will ein Immobilienkonzern mit seinem Engagement bei einem mäßig erfolgreichen Fußballverein eigentlich erreichen? Gröner sieht sein erst vor wenigen Wochen für Spielekäufe ausgeweitetes Sponsoring als „Commitment zum Standort Karlsruhe“, das auch durch seine eigene Verbundenheit zur Stadt begründet sei. Das Engagement helfe, mit den „Wirtschaftstreibern der Region zusammenzukommen.“ Zu diesen Wirtschaftstreibern zählt offenbar auch die Politik, wie Gröner 2019 in großer Offenheit gegenüber den BNN offenbarte. „Ich würde in Berlin keinen Steglitzer Kreisel bauen dürfen, wenn ich nicht in der Loge immer wieder mit den Bürgermeistern nach einer Lösung gerungen hätte. Da hätten wir sechs Jahre gebraucht, um die gleichen Termine auf Ämtern zu schaffen“, sagte Gröner damals. Die VIP-Lounge des Stadions scheint für Immobilienkonzerne demnach der wesentlich einfachere Weg, um beispielsweise Probleme fehlender Baugenehmigungen aus dem Weg zu räumen, als die demokratischen Prozesse in Politik und Verwaltung. Um Nähe zur Politik mühte sich auch Müller. 2019 kandidierte er erfolglos für die SPD für einen Sitz im für Baufragen entscheidenden Gemeinderat. „Kommunalpolitische Ambitionen“ habe er heute nicht mehr, sagt Müller. Schaden dürfte die Nähe zur Partei des Karlsruher Oberbürgermeisters Frank Mentrup aber nicht.

Weitere Immobilienprojekte in der Stadt

Eine Bewährungsprobe für das Verhältnis zur Kommunalpolitik könnte das neueste Projekt der Gröner Group in Karlsruhe werden. Im September erwarb der Konzern die seit Jahren darbende und mit städtischen Zuschüssen in Millionenhöhe am Leben erhaltene Majolika-Manufaktur. Ein Konzept, um dieses Zentrum für Keramik, Kunst und Design wirtschaftlich zu führen, konnte die Gröner Group auf Anfrage auch zwei Monate nach dem Kauf nicht nennen. Dafür ist das Interesse an der Übernahme der zugehörigen Immobilie groß. Das Grundstück befindet sich bislang noch im städtischen Eigentum und nur wenige hundert Meter vom Karlsruher Wildparkstadion entfernt. Der Karlsruher Kulturbürgermeister Albert Käuflein ist auch ohne Konzept überzeugt, dass die Gröner Group „die Majolika als kulturellen Leuchtturm im Hardtwald erhalten wird“. Beim anvisierten Verkauf des Grundstücks strebe die Stadt ein Erbpacht-Modell an. Die Karlsruher Linksfraktion will einen Verkauf der Immobilie an die Gröner Group im Gemeinderat verhindern. Die Stadt solle sich „nicht auf Gedeih und Verderb einem Immobilienkonzern“ ausliefern.

Ob Gröner als Investor auch beim KSC zum Zuge kommt, wollte dessen Geschäftsführer, Michael Becker, nicht kommentieren. Man sei im ständigen Austausch mit Gröner. Über den Gesprächsinhalt sei aber Vertraulichkeit vereinbart worden, sagt Becker. Neues Geld könnte der Verein dringend brauchen, denn ihn drücken Verbindlichkeiten in Höhe von 24 Millionen Euro. Trotz der Schuldenlast bestehe bei der Suche nach einem strategischen Investor aber „überhaupt kein Zeitdruck“, sagt Becker.

Bei der jüngsten Mitgliederversammlung gab sich der KSC-Präsident Holger Siegmund-Schultze bescheiden: „Das meiste Geld werden wir als KSC nie haben.“ Die Vereinsstrukturen sollten so professionell werden, dass es mit dem neuen Stadion keinen anderen Weg mehr gäbe, um auch sportlich die erste Bundesliga zu erreichen. Dabei appellierte er aber auch an Transparenz und Compliance-Regeln. „Vertrauen ist kostbar und schnell verloren, wenn wir uns nicht an unsere Regeln halten“, sagt Siegmund-Schultze. Ein Satz, der für Verein und Stadtpolitik in Karlsruhe gleichermaßen Relevanz haben dürfte.

Im Original lesen (Kontext-Wochenzeitung)