Florian Kaufmann

Freier Journalist

Zweifel an der Gröner Group

Nach goldenen Jahren für die Immobilienbranche stehen bundesweit viele Baustellen still. Betroffen sind nicht nur dringend benötigte Wohnungen, sondern auch vermeintlich lukrative Gewerbegrundstücke. In Karlsruhe hatte die Gröner Group noch 2019 große Pläne – als sich die krisenbedingte Baukostenerhöhung und ein Ende der Niedrigzinsen noch nicht abzeichneten. Von den sechs erworbenen Gewerbegrundstücken im Karlsruher Westen versprach sich die Gruppe um ihren Namensgeber Christoph Gröner „hohes Entwicklungspotential“ und eine schnelle Rendite. „Aufgrund des jeweils vorhandenen Baurechts sind alle Grundstücke attraktiv für Gewerbeansiedlungen aus Industrie, Handel oder Dienstleistungsbereichen“, hieß es damals von Seiten des Unternehmens. Mehr als 200 Millionen Euro wollte der Immobilienkonzern hier investieren. Einige der Projekte sollten eigentlich schon realisiert sein. Stattdessen ist von Bauarbeiten nichts zu sehen. Die Realisierungstermine wurden von der Gröner Group nach hinten verschoben.

Brach liegt auch das C-Areal in der Karlsruher Nordstadt. Nach den Plänen des Unternehmens sollen auf dem einstigen Militärgelände 1.000 Wohnungen entstehen. Doch nach dem Abriss der alten Gebäude herrscht seit Monaten Stillstand auf der Baustelle. Nachdem das Unternehmen zuvor öffentlich immer wieder auf eine schnelle Baugenehmigung drängte, beschloss der Gemeinderat bereits vor einem Jahr den notwendigen Bebauungsplan. Derzeit laufen aber nicht einmal Ausschreibungen für den Bau.

Wie nun weiter? Nach einer Anfrage zum Werdegang der Projekte in Karlsruhe erklärt die Leiterin für Kommunikation bei der Gröner Group: „Herzlichen Dank für Ihre Fragen. Aber aufgrund der in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen wollen wir Ihnen keinerlei Stellungnahme mehr abgeben.“ (Kontext hatte mehrfach kritisch über die Unternehmensgruppe berichtet, etwa hier und hier.) Gegenüber den „Badischen Neuesten Nachrichten“ begründete der Gröner Finanzvorstand Martin Müller den verzögerten Baubeginn mit finanziellen Problemen. Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten müsse man jetzt „jeden Stein umdrehen“, so Müller. Gleichzeitig wolle er sich mit der Karlsruher Stadtverwaltung über öffentliche Förderungen und Zuschüsse unterhalten.

Trotz mehrfacher Anfragen äußerte sich die Stadtverwaltung gegenüber Kontext nicht dazu. Auch Fragen zum Stand der verschiedenen Bauprojekte der Gröner Group wollte die Stadt nicht beantworten. Aus Gründen des „Vertrauensschutzes“ könnten keine Auskünfte zum Stand einzelner Verfahren gegeben werden.

Das Geld wird knapp

Bereits 2014 hatte Müller das C-Areal vom Bund übernommen. 2018 ist es zusammen mit seiner eigenen Firma GEM Teil der Gröner Group geworden. Für das 111.000 Quadratmeter große Areal hatte Müllers GEM damals einen Kaufpreis von 35 Millionen Euro bezahlt. Schon im vergangenen Jahr versuchte die Gröner Group durch einen Teilverkauf des Geländes zusätzliche finanzielle Ressourcen zu erschließen, mit einem eigentlich lukrativen Geschäft: Für 31,5 Millionen Euro trat Gröner einen Teil des Areals mit einer Nutzfläche von 15.000 Quadratmetern an den Immobilienkonzern Quarterback ab. Doch in der Krise der Baubranche zerrinnt das Geld schnell.

Seit der Übernahme mehrerer Immobilien nahm die Gröner Group in den vergangenen Jahren neue Grundschulden in Höhe von mehr als 185 Millionen Euro auf. Das geht aus Kontext-Recherchen in Grundbüchern und -akten hervor. Mit diesen Baukrediten sollten Neubauten und Sanierungen finanziert werden. Über 100 Millionen der Grundschulden des Immobilienkonzerns liegen bei der Sparkasse Karlsruhe, die entsprechend bang auf den Fortschritt der Bautätigkeiten schauen dürfte.

Die Sparkasse wollte sich grundsätzlich nicht zu Kundenbeziehungen äußern. Bei der Vergabe von Baukrediten mit Grundschulden würde auf eine angemessene Eigenkapitaleinbringung zur Risikoabdeckung geachtet, antwortet eine Sprecherin allgemein. Zudem würden auch die Baukosten regelmäßig überprüft und ein Vermarktungskonzept eingefordert. Prinzipiell könnten die Höhe der eingetragenen Grundschulden und die Höhe des ausgezahlten Kredits voneinander abweichen, da zur Auszahlung der Kredite jeweils ein gewisser Baufortschritt zur Bedingung gemacht werden könnte.

Weiterbau nicht in Sicht

Baufortschritte sind allerdings spärlich. Der Umbau eines Gebäudes in der Karlsruher Rheinstraße wurde verschoben, soll aber nach Angaben des Unternehmens im kommenden Jahr realisiert werden. Derzeit sind dort jedoch zahlreiche Flächen noch vermietet. Die Mieter:innen berichten, dass die Ansprechpersonen und Informationen immer wieder wechselten. Mal sollten sie schnell ausziehen, dann wurden die Verträge wieder verlängert. „Mein Vertrag wurde gerade mündlich um zwei Jahre verlängert. Die nächsten zwei Jahre werde nicht gebaut, hieß es“, sagt einer der Mieter einer Gewerbefläche. Ein anderer hofft gar auf einen dauerhaften Verbleib. „Ich weiß gar nicht, ob die hier überhaupt noch abreißen wollen.“

Offen ist entsprechend auch die Zukunft des C-Areals. Die Stadtverwaltung gab sich hier sehr lapidar: „Wenn das C-Areal verzögert fertig wird, stehen dringend benötigte Wohneinheiten erst zu einem späteren Zeitraum zur Verfügung.“ Der zweite Projektentwickler auf dem Gebiet, das Unternehmen Quarterback, bekräftigte allerdings den eigenen Zeitplan. Gegenüber Kontext erklärt der Konzern, auf den zwei von Gröner erworbenen Baufeldern noch 2024 mit dem Wohnungsbau beginnen zu wollen. Das Unternehmen befände sich „inmitten der bekannt schwierigen Situation am Immobilienmarkt“, stehe aber zu seiner Verantwortung, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, wie ein Sprecher betont.

Bundesweit Verzögerungen bei Gröner-Projekten

Auch anderswo stellt sich die Frage, ob Gröner-Projekte ins Stocken geraten sind, laut Medienberichten könnte dies in Bergisch Gladbach, Erfurt, Hamburg und in Karlsfeld bei München der Fall sein. Eine weitere Anfrage von Kontext an die Unternehmensgruppe wird beantwortet – allerdings von einer Anwaltskanzlei. „Es ist nachweislich unwahr, dass das Fortkommen in den von Ihnen genannten Projekten stockt“, schreibt diese. Entsprechende Medienberichte seien daher „falsch, unzulässig und äußerungsrechtlich angreifbar“. Ebenso haltlos seien zudem „Gerüchte über eine angeblich drohende Insolvenz“.

Allein das Projekt in Hamburg werde nach Auskunft der Kanzlei „nicht realisiert“. Im Bahrenfelder Carrée sollten hier 289 Wohnungen eigentlich schon längst komplett bewohnt sein. Gröner hatte das Gelände 2017 erworben. Schon vor der Fertigstellung verkaufte er das Grundstück 2021 für 120 Millionen Euro weiter, verpflichtete sich jedoch, das zweiteilige Gebäude fertig zu bauen. Doch seit dem Frühjahr sind keine Arbeiten mehr auf der Baustelle zu beobachten.

Der Käufer, ein schwedischer Fonds, will den Weiterbau jetzt selbst übernehmen. Dafür will der Fonds die Gröner Group nach Informationen der „Immobilien-Zeitung“ aber zum Schadensersatz verpflichten. Die Gröner Group stellt den Sachverhalt gegenüber Kontext anders dar. So schreibt die beauftragte Kanzlei, es sei nicht gelungen, eine „Einigung über die wirtschaftlichen Bedingungen der Projekterstellung“ herzustellen, „deren Anpassung durch die Baupreisentwicklung angezeigt und vertraglich zugesichert war“. Die involvierten Parteien hätten sich „im besten Einvernehmen verständigt, über die Inhalte der erzielten Einigung aber Stillschweigen vereinbart“. Derweil macht sich in Hamburg schon länger Skepsis breit. „Ich glaube Herrn Gröner kein Wort mehr“, sagte der Grünen-Bezirksabgeordnete Christian Trede dem „Hamburger Abendblatt“ im vergangenen September.

Innerhalb der Gröner Group ist das Tochterunternehmen CG Elementum als interner Dienstleister für die Immobilienentwicklung zuständig. In Bergisch Gladbach musste sie zuletzt den mit etwa 300 Millionen Euro taxierten Umbau des Wachendorff-Geländes verschieben. Aufgrund der Wirtschaftslage und der Unsicherheit in der Baubranche habe die CG-Elementum das Planungsverfahren zeitweise gestoppt, teilte die Stadt gegenüber der „Kölnischen Rundschau“ mit. Mittlerweile sei das Bebauungsplanverfahren wieder angelaufen. Der geplante Baustart verschiebt sich aber um mindestens 1,5 Jahre.

In den vergangenen Wochen musste die CG Elementum auch Verzögerungen der Bauprojekte in Wendlingen erklären, wo die Bauarbeiten auf dem ehemaligen „Otto-Quartier“ nach Angaben des Unternehmens eigentlich schon im Frühjahr dieses Jahres hätten starten sollen. Auch in Erfurt standen die Umbauarbeiten eines Verlagshochhauses der CG Elementum zeitweise still. Regelmäßig muss die CG Elementum an den verschiedenen Orten Gerüchten über eine drohende Insolvenz des Unternehmens und der Gröner Group entgegentreten.

Die Verzögerungen hätten alle nichts mit finanziellen Nöten zu tun, bekräftigt die beauftragte Kanzlei gegenüber Kontext, sowohl die Gröner Group wie auch die CG Elementum würden sich „wirtschaftlich stabil in einem für die gesamte Branche herausfordernden Markt“ behaupten. So bestehe in Bergisch Gladbach und Karlsfeld noch kein Baurecht – und somit „können Bauarbeiten, die ohne Baurecht noch gar nicht begonnen worden sein können, denklogisch nicht ins Stocken geraten“. Auch in Erfurt sei der Baufortschritt „voll im Plan, wenngleich der Wintereinbruch dort den Fortschritt der Arbeiten im Außenbereich behindert hat“. Bei keinem dieser Projekte stünden Rechnungen aus.

Kanzlei droht mit Klage

Zumindest eine ausstehende Zahlung hat die Gruppe aber in Karlsruhe. Nach Kontext-Informationen beantragte die Konzerntochter GEM in diesem Jahr eine Stundung der fälligen Gewerbesteuer von über 400.000 Euro. Eine solche Aufschiebung der Steuerzahlung ist auf Antrag im Gemeinderat möglich und soll helfen, einen vorübergehenden Liquiditätsengpass zu überbrücken. Es wäre nicht die erste Pleite Gröners in Karlsruhe. Anfang der 1990er gründete Gröner in Karlsruhe die Firma Gröbau, die vor allem Einfamilienhäuser sanierte. Bereits drei Jahre nach der Gründung geriet die Gröbau in solche Zahlungsschwierigkeiten, dass ein Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst wurde. Gröner verließ bald darauf Karlsruhe und baute von Leipzig aus seinen heutigen Immobilienkonzern auf.

Zur „Vermeidung einer erhebliche Schäden und in Folge Schadenersatzansprüche auslösenden Berichterstattung“ fordert die von der Gröner Group beauftrage Anwaltskanzlei unsere Redaktion vorsorglich auf, die „Veröffentlichung und Verbreitung unzulässiger Vermutungen/Verdächtigungen zu unterlassen“. Spekuliert wird allerdings in anderen Medien. Aus Protest gegen einen mutmaßlichen Zahlungsverzug habe Hertha BSC Berlin Anfang Dezember auf sein Ärmelsponsoring der CG Elementum verzichtet, berichtete vor Kurzem die „Bild“-Zeitung. Die Gröner Group sprach in der Presse danach von unterschiedlichen Auffassungen bei der Auslegung des Sponsoring-Vertrags.

Selbst wenn die CG Elementum oder andere Teile des Konzerns in die Insolvenz rutschen sollten, blieben Gröner noch Immobilien in Karlsruhe. In seinem weitverzweigten Firmennetz erwarb er 2019 das ehemalige Residenz-Hotel gegenüber des Karlsruher Hauptbahnhofs. Seit Frühjahr 2022 sind in dem zuvor leer stehenden Hotel Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Als Miete erhält er dafür gemäß den Planungen der Stadt knapp 670.000 Euro aus der öffentlichen Hand. Dies entspricht knapp 800 Euro pro Monat für jede aktuell dort untergebrachte Person. Auch die seit Langem umkämpfte Keramik-Manufaktur Majolika befindet sich an einem für eine mögliche Insolvenz des Konzerns weniger anfälligen Knoten des Grönerschen Firmengeflechts.

Kontext-Wochenzeitung